Hochdeutsch als Fremdsprache

von Achim

Wenn man bisher nur in seiner Heimat gelebt hat stellen sich manche Fragen gar nicht. Zum Beispiel, welche Sprache soll ich eigentlich sprechen: meinen lokalen Dialekt oder Hochdeutsch? Aber hier in Berlin sieht die Sache auf einmal ganz anders aus. Vor allem wenn man einen (anscheinend) ziemlich starken südbadischen Akzent hat. Bisher war das für mich kein Thema: man redet halt wie man redet, die Leute verstehen einen schon. Ich muss jedoch sagen dass ich mir mit dem Umzug nach Berlin tatsächlich immer wieder Gedanken darüber gemacht habe: hochdeutsch oder “normal”? Ich habe schon des öfteren gehört dass die Norddeutschen die Süddeutschen teilweise nicht verstehen - mir geht’s andersrum ja manchmal auch so (heftiges Plattdeutsch finde ich zwar toll, kann es aber nicht wirklich verstehen). Von daher habe ich bereits bei meinem Vorstellungsgespräch meine ganze Kraft zusammengenommen und Hochdeutsch geredet - eine äußerst befremdliche Erfahrung für mich. Als ich später einmal tatsächlich ein bisschen auf der Arbeit “gesüdbadischt” habe, hat ein Arbeitskollege mich nicht verstanden und mich nur sehr verwirrt angeschaut. Für ihn habe ich tatsächlich eine Art Fremdsprache gesprochen. Auch werden hier teilweise Wörter ganz anders verwendet. Kleine Kostprobe (Südbadisch nach Berlinerisch):

  • Schnake: Stechmücke
  • Kohlschnake: Schnake
  • Berliner: Pfannkuchen
  • Pfannkuchen: Eierkuchen
  • Unterhose: Schlüpfer
  • Walholz: Nudelholz
  • Schneckennudel: Zimtschnecke
  • Vesperbrot: Stulle
  • Wasserweckle: Schrippe
  • Kehrwisch: Handfeger und Kehrblech

Es ist so dass das verwenden südbadischer Wörter meist Unverständnis, Verwunderung oder Belustigung hervorruft. Und so habe ich mich in Berlin bisher mit Hochdeutsch durchgewurstelt. Aber so ganz wollte mir die Frage nicht aus dem Kopf gehen, da sie ja auch etwas mit Identität und Authentizität zu tun hat. Dass ich aufgrund meiner Anstellung bei Bosch öfters mit Schwaben zu tun habe die meinen lokalen Dialekt sehr gut verstehen können, hat es nicht einfacher gemacht.

Das Gute ist dass wir mit diesem Thema ja bereits in ähnlicher Weise Erfahrung gesammelt haben. Und so habe ich an unsere Zeit in Kanada gedacht und mir überlegt wie wir’s da gemacht haben (wir berichteten). Da wir dort sehr gut integriert waren, haben wir wohl vieles richtig gemacht. In Kanada hat sich die Frage nach der Sprache nicht gestellt, da war Englisch angesagt. Wie aufmerksame Leser unseres Blogs vielleicht wissen haben wir nicht nur in der Öffentlichkeit Englisch gesprochen, sondern auch untereinander im Privaten. Es gab dort bei mir auf der Arbeit die Situation dass wir mit einer kleinen US-Beratungsfirma zusammengearbeitet haben, deren Mitarbeiter aus Deutschland kamen. Ich habe trotzdem immer Englisch mit ihnen gesprochen. So konnten mich meine Kollegen im Büro immer verstehen wenn ich mit ihnen telefoniert habe und auch sonst gab es keine Probleme weil plötzlich Teile der Korrespondenz in Deutsch waren. War auch etwas komisch für mich, aber letztendlich waren wir ja auch in Kanada. Ebenso haben wir bewusst vorrangig Kontakt zu Einheimischen gesucht, auch wenn es mit anderen Deutschen anfangs vielleicht einfacher gewesen wäre. Auch mit Essen und unserem Verhalten haben wir uns, soweit es für uns Sinn gemacht hat, an das Gastland angepasst. Das hat uns sehr geholfen dort gut Fuß zu fassen und uns selbst nicht als Fremdkörper in unserer neuen Heimat zu fühlen. Interessanterweise hat das auch solange gut funktioniert wie wir Englisch gesprochen haben. Haben wir wieder Deutsch in der Öffentlichkeit gesprochen, etwa weil Besuch da war, war das für uns plötzlich ein ganz komisches Gefühl und wir kamen uns wie Touristen in unserer eigenen Stadt vor.

Zurück nach Berlin: wir sind hier ja in einer erstaunlich ähnlichen Situation und ich habe beschlossen es ähnlich zu halten wie in Kanada: ich passe mich unserer neuen Heimat an (Abweichung: miteinander reden wir unsere “Muttersprache” denn die meisten hier können die schon verstehen). Schließlich wohne ich jetzt hier. Und wie auch schon in Kanada, machen wir damit bisher auch sehr gute Erfahrungen. Und den ganzen Lokalhumor, den kapiert hier oben sowieso keiner…

P.S.: Richtig Berlinerisch zu lernen wäre dann Stufe 2. Aber das ist nicht einfach denn leider berlinern hier nur sehr wenig Leute.

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